Clariden Höhenweg

Statt Uschi Lorenzen führte uns Kurt Thoma auf dieser schönen Tour über dem Urner Boden, Uschi war an einer schweren Bronchitis erkrankt. Kurt hatte erst am Vortag davon erfahren, umso verdienstvoller, dass er spontan einsprang und uns diese eindrückliche Wanderung in einem für viele unbekannten Gebiet ermöglichte.
Am Vortag hatte es auch bei uns geregnet, im Glarnerland auch noch am Freitagmorgen, denn die Strassen glänzten und überall hatte es 'Glunggen' (Pfützen). Am Morgen verhüllten Restwolken die schroffen Berge und Felswände, die Luft und Sicht war klar, gereinigt vom Regen und immer schöner zeigten sich die frisch verschneite Clariden Nordwand, der Gemsfairenstock im Süden und der Glatten, der Läckistock im Norden.

Bei der langen Fahrt mit dem Postauto auf den Klausenpass überholten wir immer wieder Velorennfahrer und unzählige, parkierte Begleitautos. Sie gehörten zur 'Tortour', die von Schaffhausen kommend nach dem Klausen noch den Susten und die Grosse Scheidegg vor sich hatten, sowie den Kanton Jura und zurück nach Schaffhausen: 1000km in 32 bis 48 Stunden! Das Wort 'Masochisten' machte die Runde.
Wir nahmen es gemütlicher und stärkten uns erst noch mit Kaffee und Gipfeli, welche von einem 1 km weit entfernten 'Hotel Passhöhe' hergebracht werden mussten. Dann begann für die zwölf Teilnehmer und den Wanderleiter der Aufstieg zum Clariden Höhenweg. Die Gruppe war für einmal beinahe ausgeglichen zusammengesetzt: sieben Frauen und sechs Männer.
Vom 1948 m hohen Klausenpass ging es steil aufwärts, nachher bald aufwärts, bald abwärts, über und unter der 2000m Marke. Wir kamen vorbei an einem riesigen Felsbrocken mit senkrechter Wand und Gedenktafeln: Da wurde der zu verschiedenen Zeiten an der Clariden Nordwand Abgestürzten gedacht. Mit Ehrfurcht schauten wir in die schroffe, schattige mit Schnee überpuderte Nordwand hinauf. Idyllisch war das Gletscherseeli mit richtigen kleinen Eisbergen, die vom senkrechten Gletscherabbruch am gegenüberliegenden Ufer stammten. Wir hörten den Gletscher sogar kalben, als kleine Eisstücke ins Wasser fielen. Ein arktischer Gruss. Alphütten waren zum Schutz vor Lawinen meist an eine Felswand angelehnt, so auch das Gemsfairenhüttli, eine kleine Wirtschaft, die wir aber links liegen liessen.

Nachher ging es nochmals steil aufwärts zu einer kleinen Felswand, die mit Ketten gesichert war. Immer wieder mussten wir schäumende Wildbäche durchqueren, aber meistens ragten grössere Steine heraus, die fast eine Furt bildeten. Endlich waren wir auf dem Fisetenpass und konnten in die Gondeln der Seilbahn, die wieder nach Urner Boden führte, einsteigen. Dort in der Käserei versorgten wir uns mir Alpkäse, Joghurt und Glace. An der Friedhofsmauer war eine Gedenktafel an das Lawinenunglück im Dezember 1940, als 14 Menschen und viel Vieh starben, Häuser und Ställe zerstört wurden.
In einer langen Postautofahrt ging es vom Urner Boden über den Klausen nach Flüelen, während der der Chauffeur in urchigem Urner Dialekt Hinweise auf geografische und historische Besonderheiten gab.
Ursula Gasser

Fotos: Jürg Hägi